Über die vegetarische und vegane Ernährung von Hunden
Kann man einen Hund vegan ernähren? Diese Frage polarisiert die Hundehalter zunehmend: auf der einen Seite stehen die eingefleischten Barfer, die den Wolf als Vorbild für ihren Hund ansehen und Fleisch als Basis für die Fütterung verwenden, auf der anderen Seite gibt es Hundehalter, die es aus ethischen Gründen strikt ablehnen, dass andere Tiere sterben müssen, um den eigenen Hund zu ernähren.
Um die Eingangsfrage zunächst zu beantworten: Ja, es ist tatsächlich theoretisch möglich, einen Hund vegetarisch oder sogar vegan zu ernähren. Aber warum sollte man das tun? In einer Studie von Engelhard und Radka 1999 (LMU München) wurden Tierhalter nach den Beweggründen für die vegetarische Ernährung ihrer Hunde und Katzen sowie nach Fütterungstechnik und Rationsgestaltung befragt und machten zu den Beweggründen folgende Angaben:
Der meistgenannte Grund war das „ethisch-religiöse Motiv“. Damit ist gemeint, dass der Mensch kein Recht habe, Tiere zur Fleischgewinnung zu töten. Außerdem waren die Tierhalter der Überzeugung, dass die moderne Fleischherstellung gesundheitliche Risiken birgt. Als weiterer Beweggrund wurde auch genannt, dass die Tierhalter selber Vegetarier oder Veganer sind. Manche der Halter ekeln sich zudem vor Fleisch. Zudem wollen die Tierhalter oft kein Fleisch füttern, da zur Fleischproduktion Ressourcen wie Getreide, Wasser und Land verbraucht werden (je nach Tierart werden bis zu 10 kg Getreide zur Herstellung eines einzigen Kilogramms Fleisches benötigt).
Da auch immer mehr Hunde Futtermittelallergien oder -unverträglichkeiten entwickeln, kann auch dies ein Beweggrund sein, seinen Hund vegetarisch oder vegan zu ernähren.
Häufigste Fütterungsfehler
In der genannten Studie wurden folgende Fütterungsfehler bei der veganen und vegetarischen Ernährung von Hunden festgestellt:
■ Mehr als die Hälfte aller Hunde war nicht ausreichend mit Proteinen versorgt. Außerdem nahmen sie zu wenige schwefelhaltige Aminosäuren auf.
■ Bei der Mengenelementversorgung traten dieselben typischen Fehler auf, die es meist auch bei den hausgemachten (Barf-)Rationen gibt: bei 62% der Hunde wurde der Calciumbedarf nicht gedeckt, die Hälfte aller wies Phosphormängel auf. Infolgedessen kam es zu einem ungünstigen Ca-P-Verhältnis. Zudem war bei fast Dreiviertel aller Hunde der Natriumbedarf nicht gedeckt.
■ Im Spurenelementebereich waren Eisen, Kupfer, Zink und Jod in vielen Fällen nicht abgedeckt.
■ Bei den Vitaminen war die Vitamin D-Versorgung oft nicht ausreichend. Und Vitamin B12 war bei mehr als der Hälfte nicht ausreichend in der Ration enthalten, da Vitamin B12 nur in tierischen Produkten vorkommt. Ein Problem, das übrigens auch bei menschlichen Vegetariern / Veganern auftritt. Auch die Pantothensäure war oft nicht bedarfsdeckend in der Ration zu finden.
■ Trotz der Fehlversorgungen traten allerdings bei den adulten, also erwachsenen Hunden keine klinischen Mangelerscheinungen auf. Die vegan ernährten Welpen hatten hingegen im Alter von acht Wochen nur die Hälfte des zu erwartenden Gewichts.
■ Die Katzen, die in der Studie auch mit einbezogen waren, waren meist an Vitamin A, Taurin und Arachidonsäure unterversorgt. Zur Erklärung: Katzen können, anders als Hunde, Taurin nicht selber bilden. Und Katzen sind, im Gegensatz zu Hunden, keine Carniomnivoren, also Fleisch-Allesfresser, sondern reine Carnivoren.
Die vier Varianten
Zunächst muss man wissen, dass man bei vegetarischer Fütterung vier verschiedene Fütterungsmöglichkeiten unterscheidet.
1. die lacto-/ovovegetarische Fütterung: hierbei sind Milch- und Eiprodukte erlaubt.
2. die lacto-vegetarische Fütterung: hierbei sind nur Milchprodukte erlaubt, aber keine Eier
3. die ovo-vegetarische Ernährung: hierbei sind Eier, aber keine Milchprodukte erlaubt
4. die vegane Ernährung: hierbei werden überhaupt keine tierischen Produkte gefüttert
Es ist durchaus möglich, bei adulten Tieren die ersten 3 Varianten zu füttern; dabei muss aber dringend darauf geachtet werden, dass die Ration in Bezug auf die Mineralien professionell angepasst wird. Schon bei den selbstgekochten Rationen entstehen häufig Fütterungsfehler, zu diesen kommen dann noch vegetarisch bedingte Mängel hinzu. Wer diese Art der Fütterung in Betracht zieht, sollte sich also unbedingt gut informieren, beziehungsweise die Ration durch eine Rationsberechnung dem Bedarf anpassen.
Bei Junghunden problematisch
Bei noch wachsenden, trächtigen und säugenden Hunden kann der erhöhte Nährstoffbedarf an Eiweiß, essentiellen Aminosäuren, Mineralien und Vitaminen kaum abgedeckt werden, und deshalb kann man bei diesen Hundegruppen auch keine lacto-ovo-vegetarische Fütterung empfehlen. Eine vegane Fütterung ist bei diesen Hundegruppen aus Tierschutzsicht komplett abzulehnen! In Deutschland ist in der Tierschutz-Hundeverordnung §8 gesetzlich geregelt, dass der Hund artgerecht ernährt werden muss, was bei der veganen Fütterung von wachsenden, trächtigen und säugenden Tieren nicht gegeben ist.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch zu wissen, dass man entgegen der landläufigen Meinung Nährstoffimbalancen nicht in einem Blutbild nachweisen kann! Denn zum Beispiel ein Calcium-Mangel im Blut wäre lebensbedrohlich, also wird der Calcium-Blutspiegel so lange aufrecht erhalten (das Calcium wird aus den Knochen mobilisiert), bis das System zusammenbricht. Mit allen anderen Mineralien und Spurenelementen verhält es sich ähnlich. Die einzige Möglichkeit, einem Mangel oder einer Überversorgung vorzubeugen, ist und bleibt die Rationsberechnung, die sich an festen Bedarfszahlen orientiert.
Anhand der folgenden Tabelle lässt sich erkennen, dass der Hund einen wesentlich höheren Protein- und Mengenelemente-Bedarf hat als der Mensch und deshalb auch die vegetarische bzw. vegane Ernährung des Menschen nicht so einfach auf den Hund übertragen werden kann.
Die meisten Fütterungsfehler wurden in der Studie von Engelhard und Radka 1999 (LMU München) schon angesprochen (siehe oben). Welche Auswirkungen diese Nährstoffimbalancen für den Hund haben, ist im Kasten angeführt.Zu beachten ist auch, dass man vegetarische Ernährung nicht mit Rohfütterung kombinieren soll, da die Stärke im Gemüse, die – wenn nicht roh gefüttert wird, durch den Garvorgang aufgeschlossen wird – in Kombination mit der Laktose aus den Milchprodukten oft zu Durchfällen führt.
Mythen und Misstrauen
Um noch einmal auf die Beweggründe für die vegetarische oder gar rein vegane Fütterung von Hunden zurückzukommen:Ein weiterer Hauptgrund für manche Tierhalter, ihre Hunde vegetarisch oder vegan zu ernähren, ist es auch, dass das Vertrauen in die Futtermittelindustrie sinkt. Verstärkt wird dieses Misstrauen durch zahlreiche Schwarzbücher und Mythen aus dem Internet, die suggerieren, dass auch überfahrene Wildtiere, eingeschläferte Hunde und Katzen und Blasen- und Darminhalte im Fertigfutter zu finden sind. Das aber ist gesetzlich verboten! Die EG-Verordnung1774/2002 gibt europaweit vor, welche Ausgangsmaterialen tierischer Herkunft ins Hundefutter gelangen dürfen und welche nicht. So dürfen nach dieser Verordnung nur tierische Nebenprodukte der Kategorie 3 ins Hundefutter. Zur Kategorie 3 zählen Schlachtnebenprodukte von tauglichen Tieren, die hygienisch einwandfrei sein müssen und von denen keine Gesundheitsgefährdung für Mensch und Tier ausgehen darf. Entgegen dem, was die Werbung suggeriert, ist also die ausschließliche Verwendung von Bestandteilen Lebensmittel-tauglicher Tiere kein Merkmal für besondere Qualität, sondern Grundvoraussetzung.Diese Nebenprodukte dieser Tiere, wie bspw. Innereien, wurden noch vor wenigen Jahren auch von Menschen in größeren Mengen gegessen, mittlerweile sind sie aber weitgehend von unserem Speiseplan verschwunden. Bei unseren Hunden wird nun die Verwendung dieser Nebenprodukte aus der Kategorie 3 als verwerflich empfunden und als Argument gegen Fertigfutter verwendet, gleichzeitig werden aber interessanterweise getrocknete Rinder- und Schweineohren, Ochsenziemer, usw. gerne als Leckerli gefüttert und auch liebend gerne gefressen.Um nun den Bogen zu der ethisch-religiösen Motivation, Hunde vegan zu ernähren, zu spannen, ist es also nicht verwerflich, sondern in unseren Augen aus Tierschutzgründen durchaus richtig, dass die verpönten Nebenprodukte und Schlachtabfälle im Hundefutter enden, anstatt auch für unsere Haustiere extra „Filetsteaks zu schlachten“. Tierschutz hört tatsächlich nicht bei unseren Hunden auf! Darum sollten keine Tiere getötet werden, um unsere Hunde zu ernähren, sondern es ist im Sinne des Tierschutzes, Hunde und Katzen mit den „Resten“ der sowieso geschlachteten Tiere zu füttern.Auf der anderen Seite muss aber auch nochmal darauf hingewiesen werden, dass es genauso fatal ist, einen Hund ausschließlich mit tierischem Protein zu ernähren. Der Hund ist kein kleiner Wolf! Im Gegensatz zum Wolf hat der Hund Enzyme zur Verdauung von Stärke in seiner genetischen Ausstattung, und die hat er nicht aus Spaß an der Freude. Der Hund hat sich im Laufe der Domestikation dem Menschen angepasst, dem er sich als Müllentsorger angeschlossen hat. Insgesamt wurden beim Hund 30 Kopien des Gens für Amylase entdeckt, dem Protein, das für die Aufspaltung von Stärke im Verdauungstrakt notwendig ist. Wölfe dagegen verfügen nur über zwei dieser Gene, eines auf jedem Chromosom. Eine bestimmte Variante eines Gens für ein Enzym, das für den weiteren Abbau der Stärke notwendig ist, fand man sogar ausschließlich im Genom der Hunde. Forschungsergebnisse deuten also darauf hin, dass der Hund Stärke – den Hauptnährstoff in Getreide wie Reis oder Weizen – um ein Fünffaches besser verdauen kann als der Wolf. Die Domestizierung vom Wolf zum Hund ging offensichtlich insbesondere mit einer Umstellung auf stärkehaltige Nahrung einher. Außerdem benötigt es Kohlenhydrate für die Bildung des „Glückshormons“ Serotonin aus der Aminosäure Tryptophan, denn nur wenn Kohlenhydrate gefüttert werden, kann das Tryptophan ins Gehirn gelangen. Weder die ausschließliche Fütterung von tierischem Protein noch die rein vegane Ernährung von Hunden ist also zielführend, sondern – wie fast immer – die goldene Mitte.
Eigene moralisch-ethische Werte auf unsere Hunde übertragen?
Fazit: es ist durchaus möglich, einen adulten Hund vegetarisch oder in Ausnahmefällen sogar vegan zu ernähren. Allerdings nur dann, wenn die Ration überprüft und die fehlenden Mineralien und Vitamine professionell angepasst werden. Bei wachsenden, trächtigen und säugenden Tieren sind beide Varianten jedoch nicht empfehlenswert. Aber letztlich stellt sich doch auch die Frage, warum man sich einen Fleisch-Alles-Fresser ins Haus holt und ihn dann vegan ernähren will. Dürfen wir tatsächlich unsere eigenen moralisch-ethischen Werte auf andere Lebewesen wie Kinder und Haustiere übertragen, die sich nicht wehren können? Wir finden nein! Denn Fressen hat auch viel mit Lebensqualität zu tun, und die wenigsten Hunde würden sich, wenn sie die Wahl hätten, gegen Fleisch und für eine Karotte entscheiden. Wenn Mensch damit ein Problem hat, ist ein Kaninchen – nein, mindestens zwei Kaninchen! – sicherlich die bessere Haustier-Wahl.
Von Sophie Strodtbeck, Hundemagazin WUFF